Lima – ein Versuch

Eigentlich wollten wir schon nach dem zweiten Tag einen Blogbeitrag über Lima schreiben. Haben wir nicht. War gut so. Denn diese Stadt ist so vielseitig wie groß (knapp 10 Mio. Einwohner, das ist ein Drittel der peruanischen Bevölkerung) – und wir haben bis jetzt nur einen Bruchteil davon gesehen und erlebt. Dennoch wagen wir es hiermit die Stadt ein wenig einzuordnen.

Zuerst: Es stinkt. Sehr oft. Vor allem nach verbranntem Plastik, Reifen and so on. Aber auch nach Müll. Oder nach Scheiße. Die ersten drei Tage waren für uns hier alles extrem laut, groß und die Luft neben den Gerüchen feucht. Wir haben diese Stadt zudem einfach nicht fassen können. Wie groß ist unser Stadtteil? Was ist sicher? Wie weit sind die Entfernungen? Schaffen wir es auch morgen wieder die Straße unversehrt zu überqueren? Am Sonntag merkten wir: Auch die Limeños nehmen sich mal ein ruhigeren Tag ohne Massen von allem und Autolärm. Wir schlenderten durch unser Viertel und genossen einfach. Am Montag merkten wir: Das sind gar nicht zwingend die entspannteren Limeños – das sind wir. Offensichtlich brauchten wir einfach ein paar Tage. Dinge, die uns am Freitag noch als krass stressig erschienen, waren nun gelassen vorstellbar.

Unsere Tage seit dem letzten Blogbeitrag: Am Samstagmorgen buchte Josi morgens in aller Früh eine Stadtführung zu Fuß. Wie sich später herausstellte, eine private. Jhony führte uns durch seine Stadt – und das war wirklich großartig! Da er auch aus Miraflores kommt, fuhren wir zusammen mit ihm im Taxi in den historischen Stadtkern (da es hier keine U-Bahn gibt, fährt man hier vor allem Taxi oder Uber. Bus geht auch, in groß oder in kleiner, das sind sogenannte Colectivos, die oft sehr vollgestopft sind und fahren, wenn sie eben fahren). Das dauerte erstmal eine knappe Stunde (Josi: „Perhaps it’s because it’s saturday!“ Jhony: „Oh no, it’s because it’s Lima.“). Und dann sahen wir alles, was die Spanier Lima während der Kolonialzeit hinterlassen haben. Wir erfuhren, dass die Limeños nicht in den super-schönen Altbauten mitten in der Stadt wohnen wollen, weil sie nach einem großen Erdbeben 2007 Angst haben, dass diese einem solchen nicht standhalten würden. Und dass die Flagge der Inka vom Rathaus entfernt wurde, weil viele Touristen sie aufgrund ihrer Regenbogenfarben für die LGBT-Flagge hielten und die Regierung im katholischen Lima nicht so unkonventionell erscheinen wollte. Wir waren in Stadtteilen, die wir ohne Jhony sicherlich nicht betreten hätten („From now on there are no tourists anymore.“). Wir waren in China Town und auf unserem ersten richtigen Markt hier (das war so so spannend), tranken ein traditionelles, fermentiertes Getränk (köstlich!) und aßen laut Jhony die besten Churros der Stadt (sie waren wirklich gut). Wir sahen außerdem Tausende von echten Knochen in den Katakomben des Klosters San Francisco und betrachteten von weitem Slums am Stadtrand. Die Menschen dort müssen den halben Tag darauf verwenden, an Wasser zu kommen (von den steilen ‚Bergen’ herunterlaufen und mit dem Wasser wieder hoch).

Seit Montag sind wir in unserer Spanischschule. Lennart wurde von Patty, unserer Lehrerin, in Leo umbenannt (Lennart konnte sie einfach nicht aussprechen) und zusammen mit einer amerikanischen Lorelai, einer aus Bulgarien nach Amerika immigrierten Ethel, und einem Jerome aus Paris, der in New York seine peruanische Freundin kennengelernt hat und nun ohne sie bei ihrer Familie lebt, hablan wir español. It‘s really really a lot of fun 🙂 Nicht zuletzt, wenn sich alle anderen über deutsche Namen und Begriffe amüsieren. Wie Claus. Oder Rathausgasse. Es ist aber auch a lot of stuff, eine andere Sprache mithilfe einer wiederum anderen Sprache zu lernen. Was sonst noch geschah: Wir waren in Barranco, Limas Künstlerviertel und Josis liebstem Ort bis dato. Wir waren in der Kletterhalle in Miraflores, Lennarts liebstem Ort 😉 Da man dort auch ausgezeichnet bei sommerlicher Musik, frischen Säften (gibt es hier überall) und Muña-Tee draußen speisen kann, liebt Josi diesen Ort ebenfalls sehr.

Fazit: Wollten wir am Sonntagmorgen am liebsten abreisen, weil wir dachten, das Lima nicht so unseres wäre, fühlen wir uns nun in dieser fast immer sonnigen (wenngleich häufig nebligen) Stadt echt wohl. Dennoch: Die Weiterreise ins wohl naturverbundenere Peru ist gebucht. Unsere nächsten Stationen sind Paracas und Ica. Aber bis dahin ist ja noch etwas Zeit im lieb gewonnenen Lima.

Chau,

Josi und Leo